Mein neuestes Werk



Prolog

 

1386 irgendwann im November, Roxburgh Castle, Haupthalle

 

Der eisige Winterwind blies durch die Halle und zerrte an den Rockzipfeln der Damenkleider. Die Feuer prasselten und knisterten laut, während ein Knecht weitere Holzscheite einwarf, damit die Flammen nicht ausgingen. An den Mauerwänden hingen mehrere Wappen der Armstrongs. Das mächtige Zeichen der Familie war blau silbrig vertikal gestreift, der Helm auf dem Wappen silbern goldig und auf dem Helm selbst als Zier war ein angewinkelter Arm, der die Hand zur Faust geballt hatte. Um den Arm rankten sich die Buchstaben des Schlachtrufes der Armstrongfamilie. Invictus maneo[1]. Abgesehen davon schimmerten die Clanfarben der Familie durch die gesamte Halle. Grünblaurot karierte Plaids blitzten einem in verschiedenen Formen und Grössen entgegen. Die steinernen Wände trugen farbenfrohe, gewaltige Wandbehänge und taten ihr nötigstes um die Gäste vor der Zugluft zu schützen. Die Halle war proppenvoll. Die Septs der Armstrongs die Fairbairns, Crosiers und Nixons hatten sich eingefunden und waren zweifellos dem Ruf des Chieftains gefolgt. Dazu kamen noch die verbündeten Clans aus dem Grenzland, wie die Kerrs und die Elliots. Sie hielten sich alle im Hintergrund und tummelten sich an den Steinwänden. Ein erhöhtes Podest aus dunklem Holz stand an der Stirnseite der Halle. Darauf erhob sich der reich geschnitzte Chieftainstuhl von Rouland Armstrong. Doch er war nicht besetzt. Der Chieftain stand vor den Stiegenstufen und sah gebieterisch auf die drei Besucher hinab. Die wollenen grünen Socken reichten bis unter die Knie und ungefähr eine Handbreit darüber begann der gemusterte Schottenrock. Halb über seinen Schultern hing das Plaid der Familie. Rouland Armstrong war ein etwas beleibterer Zeitgenosse. Sein verblichenes, gelbes Leinenhemd spannte sich gefährlich um seinen Bauch und offenbarte stolz seine gutgenährte Fülle. Der blondrote Vollbart bedeckte seine Lippen, die jetzt unmissverständlich ein selbstsicheres Lächeln umspielen musste. Sein Haar schimmerte ebenso rötlich, war gelockt und hing ihm im Nacken „Ich glaube kaum“ sagte er nach einer schieren Unendlichkeit. Seine Stimme war kalt und rasiermesserscharf. Daron warf einen Seitenblick auf seinen Vater. Er sah, wie dieser tief einatmete und seine Backenmuskeln zuckten angestrengt. Jetzt war das Lächeln von Rouland deutlich zu erkennen. Sein Vater antwortete ebenso kühl, aber bestimmt „Ich denke, es ist das Beste, wenn wir eine Übereinkunft treffen. Es würde für alle“ und sein Vater liess den Blick auf die umherstehenden Mitglieder der verschiedenen Clans aus dem Grenzland schwenken. „von Vorteil sein, wenn wir gegenseitig eine friedliche Lösung finden könnten“. Dies wischte das Lächeln von Roulands Gesicht „Wagt es ja nicht, die anderen Clans mit hineinzuziehen Lord Northumberland! Wenn ihr Engländer nicht mit Plünderern umgehen könnt, dann gebt das Gebiet in unsere Hände. Wir wissen mit ihnen zu verfahren!“ sagte Rouland überheblich. Andrew machte eine Bewegung und Daron sah, dass sein Vater seinen Bruder mit dem Arm zurückhielt. Dies entrang dem Chieftain ein heiseres Lachen „Ja Bürschchen! Halt dich zurück, du bist hier auf meinem Land!“ wetterte er. Als Andrew nach einem Blickwechsel mit seinem Vater die Arme sinken liess, richtete Henry den Blick wieder auf Rouland „Es gäbe da noch eine letzte Möglichkeit“ sagte Darons Vater. Rouland hob eine Augenbraue und nahm einen Schluck aus seinem Kelch, der ihm soeben ein Diener gereicht hatte. Eine feine Linie roten Würzweines bahnte sich einen Weg von seinem Mundwinkel hinab zu seinem Kinn. „Ein Bündnis zwischen unseren Familien“ meinte sein Vater mit Bedacht. Rouland lachte verächtlich und man sah ihm an, dass ihm dieses Angebot nicht gefiel. Als aber keine Antwort folgte, sprach Henry weiter „Eine Ehe zwischen meinem ältesten Sohn Andrew und eurer Tochter. Ihr habt doch eine, oder nicht?“ Daron warf sofort einen Blick auf seinen Bruder. Dieser sah seinen Vater von der Seite her an. Röte war ihm ins Gesicht gestiegen. „Ja, die hab ich“ sagte Rouland sehr langsam. Diese Idee schien ihm auch nicht zu gefallen. Jetzt änderte sein Vater die Taktik „Lord Roxburgh, ihr stellt meine Geduld auf eine harte Probe. Wir, England, weiss dass die Plünderer und Diebe und Mörder aus den schottischen Regionen stammen und der König wird nicht mehr lange die Hand des Friedens ausstrecken. Ihr solltet um euretwillen und die eurer Untertanen ein Bündnis in Betracht ziehen“. Nun verfärbte sich die Gesichtsfarbe von Rouland in ein tiefes rotviolett „Droht ihr mir etwa?“ presste er hervor. Henry schüttelte den Kopf „Nein Lord Roxburgh, ich zähle lediglich die Fakten auf. Entweder ihr akzeptiert eine der dargebotenen Lösungen oder England wird sich früher oder später gezwungen sehen einzugreifen“. Darons Augen ruhten auf dem Chieftain. Er schien zu wissen, dass er zumindest öffentlich ein solches Angebot annehmen musste. Er konnte schliesslich froh sein, dass sie, die Familie Clifford, versuchte mit den Grenzgebieten zu verhandeln, dachte Daron grimmig. Nach einer weiteren, längeren Pause des Schweigens nickte Rouland „Na dann sei es so“ verkündigte er in einem Ton, der nur so vor Verachtung triefte. „Meine einzige Tochter wird ihren Sohn heiraten. Sobald sie alt genug ist. Sie ist jetzt sieben Jahre alt“ schloss er. Henry nickte zustimmend, schmunzelte gar leicht und legte seine linke Hand auf die rechte Schulter seines ältesten Sohnes „So soll es sein“. Daron sah wie Andrews Blick versteinert war. Er war äusserst froh nicht in seiner Haut zu stecken! „Aber“ kam es vom Podest und das Lächeln von Henry verblasste. Daron ballte seine Fäuste. Dieser miese Bastard! Was glaubte er, wer er war?! Er sollte froh sein… „aber ich verheirate sie frühestens mit achtzehn“. Daron sah wie die Anspannung, die sein Vater seitdem aber ergriffen hatte, langsam von ihm wich „Gut, wie ihr wünscht. Ich kann verstehen, dass ihr eure einzige Tochter behüten möchtet und sie nicht allzu früh von euch fortgehen lassen wollt“. Henry nickte zum Abschluss seiner Worte. Rouland blieb auf seinem Podest stehen und sah zu ihnen hinab. Daron mochte ihn nicht. Er mochte nicht, wie er sie ansah und er traute ihm kein bisschen über den Weg. Daron spürte die Hand seines Vaters an seinem Nacken und im Augenwinkel sah er, wie er auch seinen Bruder festhielt. „Dann werden meine Söhne und ich nun Roxburgh verlassen und kehren nach Alnwick zurück. Die Vereinbarung werde ich mit einem Boten zu euch senden, sobald ich sie aufgesetzt habe“. Rouland schnaubte aus seinen Nüstern und liess sich in seinen Chieftainstuhl plumpsen. Er winkte abfällig mit der Hand und entliess sie somit aus seiner Halle. Damit waren diese Verhandlungen erledigt. Henry nahm seine beiden Söhne und die Menge der Schaulustigen teilte sich vor ihnen. Daron sah, wie die Schotten sie musterten und hielt seinen Blick gerade, damit er keinen dieser Plünderer und Lügner ansehen musste. Sie traten in den Korridor und verliessen die Burg.

Die Sonne war hinter der dicken Schicht aus grauen puffigen Wolken vollends versteckt und Daron konnte den kommenden Regenfall riechen. Sie alle nahmen ihre Umhänge aus den Satteltaschen der Pferde und zogen sie an. Keine fünf Minuten später ritten sie durch das marode Eingangstor und verfielen in Trapp. Daron konnte es nicht schnell genug gehen, um hier von diesem Gesindel weg zu kommen. Keiner von ihnen sagte ein Wort und dieses Schweigen war schwer zu ertragen für Daron. Niemand sprach und niemand sagte, was eigentlich zu sagen gewesen wäre. Nach einer Stunde hatten sie die Grenze erreicht und dann hielt es Daron nicht mehr aus „Wieso zum Teufel habt ihr diesem Bastard solche Freiheiten erlaubt?!“ erzürnte er sich. Henry verlangsamte seinen Trapp und auch Andrew passte sein Pferd an. „Wir sind wie Bittsteller vor ihm aufgeschlagen! Dabei ist er der Teufel, der unser Grenzland mit Plünderern und Verbrechern aus seinen eigenen Reihen überfällt! Habt ihr das vergessen Vater?“ Henry zog an den Zügeln seines Braunen „Natürlich nicht! Aber diese Menschen leben nun einmal in diesem Gebiet. Bei einer kriegerischen Auseinandersetzung würden sie alles verlieren Daron und glaub ja nicht, ich wüsste nicht, wie ich mein Territorium führen sollte!“ Aber Daron konnte nicht anders, er widersprach „Aber zum Teufel! Jetzt muss Andrew eine aus dieser Sippschaft heiraten und sie wird die neue Herrin über Northumberland!“ Andrew warf ihm einen kopfschüttelnden Blick zu. „Genug Daron!“ sagte sein Vater übellaunig. „Das verstehst du nicht! Man kann nicht immer mit dem Kopf durch die Wand, wann begreifst du das endlich?! Glaubst du nicht, ich hätte nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft?! Richard ist an einem Krieg nicht interessiert. Er hat seine Augen auf Irland gerichtet. Wenn wir einen Krieg vom Zaun brechen steht unsere Grafschaft alleine da. Möglicherweise würde Cumberland sich noch beteiligen, da sie ebenfalls unter den Verbrechern leiden, aber das wäre dann auch schon die Unterstützung gewesen! Und ausserdem“ er lockerte die Zügel „hast du gehört, dass Andrew sich beklagt hätte?! Ich nicht!“ Er gab die Sporen seinem Hengst und dieser galoppierte los. Daron verzog eine Grimasse und malmte mit dem Kiefer. „Daron, Vater hat recht… Ein Krieg wäre zum jetzigen Zeitpunkt falsch“. Daron blickte seinen vier Jahre älteren Bruder an „Ich habe gesehen, dass du ebenfalls über den letzten Plan von Vater überrascht warst. Tu nun nicht so, als hättest du es erwartet und dass du dich darüber freuen würdest“ sagte Daron missmutig. „Nein das tue ich nicht“ gab Andrew zu. „Aber manchmal muss man Entscheidungen treffen, die einem möglicherweise nicht gefallen, die aber getroffen werden müssen. Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich erfreut bin bereits versprochen zu sein, noch dazu mit einem siebenjährigen Kind“ er grinste ihn an. Gegen seinen Willen musste auch Daron schmunzeln. Sein Bruder schaffte es immer wieder ihn aus seinen düsteren Grübeleien zu holen. „Komm Bruder, lass uns Vater folgen. Die Zeit wird zeigen, was geschehen wird“. Er drückte seine Fersen in die Flanken seines Reittiers und preschte mit einem Grinsen davon. Daron liess sich nicht zweimal auffordern und jagte seinem Bruder hinterher.

 

 

[1]Ich bleibe unbesiegt
Copyright by Giulianna G. Bailie 2019

 

 


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